Gibt es wirklich nur fünf Dysfunktionen eines Teams, wie manche behaupten? Eines der bekanntesten praktischen Bücher zu Teamproblemen geht von fünf Merkmalen aus, die ein dysfunktionales Team kennzeichnen (Lencioni, 2014). Diese Merkmale verursachen schlechte Zusammenarbeit im Team. Dieser Beitrag stellt die fünf Dysfunktionen nach Patrick Lencioni in einer Zusammenfassung vor. Danach zeigt er die Kritik an diesem Ansatz und seine Grenzen.
Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker
In diesem Beitrag:
Die 5 Dysfunktionen eines Teams
Eines der bekanntesten praktischen Bücher zu Teamproblemen geht von fünf Merkmalen aus, die ein dysfunktionales Team kennzeichnen und zu schlechter Zusammenarbeit führen (Lencioni, 2014). Für Patrick Lencioni gibt es fünf Dysfunktionen von Teams:
- Vertrauensmangel. Teammitglieder gehen dann nicht mehr von gegenseitigem Wohlwollen aus. Sie teilen keine Informationen und gehen nicht mehr in Vorleistung. Der Kommunikationsfluss ist gestört, die Zusammenarbeit im Team schlecht. Makelndes Vertrauen ist wie Sand im Getriebe, alles wird langsam und aufwändig. Menschen schreiben dann Ereignisprotokolle, um sich abzusichern, Politik wird wichtig statt Arbeit.
- Angst vor Konflikt. Angst vor Konflikt lähmt den offenen Austausch und die Beschäftigung mit grundlegenden Herausforderungen und Problemen. Eine oberflächliche und bröcklige Harmonie deckt die offene Diskussion zu, schlechte Entscheidungen sind die Folge. Lencioni ist Fan von Konflikt. Je mehr es davon gibt, desto besser für ein Team.
- Fehlendes Commitment. Mitarbeiter legen sich nicht auf das Team und seine Ziele fest. Unverbindlichkeit und Eigennutz dominieren und das Team setzt Entscheidungen nicht um. Das verärgert und vertreibt gute Teammitglieder, die Stars. Insbesondere das Problem von sozialen Trittbrettfahrern ist hier zentral. Soziales faulenzen auf Kosten anderer, führt zu Gegenreaktionen. An Kooperation, Zusammenarbeit und Teamleistung ist dann nicht mehr zu denken.
- Mangel an Verantwortlichkeit. In einem dysfunktionalen Team gibt es keine klaren Verantwortlichkeiten. In der Folge sehen die Teammitglieder schweigend zu, wie andere ihre Aufgaben nicht oder nur nachlässig erfüllen. Man nimmt sich nicht gegenseitig in die Pflicht und jeder handelt wie es ihm persönlich am besten liegt. Eine fehlende Rollenverteilung ist ein schlimmer Zustand, der dazu beitragen kann.
- Geringe Ergebnisorientierung. Die fünfte Dysfunktion ist ein Mangel an Ergebnisorientierung. Teammitglieder orientieren sich an persönlichen Zielen – aber nicht am Team. Die Leistungen und Ergebnisse des Teams sind ihnen nicht wichtig, es gibt keine klaren Standards. Aus wissenschaftlicher Sicht verbergen sich hinter diesem Phänomen soziale Normen. In manchen Teams haben sich Verhaltensweisen als „normal“ etabliert, die sehr ungünstig sind: Schlechte Behandlung von Kunden, Missachtung von Sicherheitsvorschriften, wenig wertschätzende Kommunikation im Team untereinander, niedrige Arbeitsleistung, keine Anstrengungen zu Verbesserung oder Weiterbildung.
Zudem geht Lencioni davon aus, dass diese Dysfunktionen einander bedingen, wie die Stufen einer Pyramide. Ein Mangel an Vertrauen (Dysfunktion1) führt dazu, dass Teammitglieder nicht offen miteinander über Probleme reden können und Angst vor Konflikt haben (Dysfunktion 2). Die Angst vor Konflikt bedingt dann laut Lencioni wieder, dass man keine klaren und verbindlichen Entscheidungen trifft, hinter denen alle stehen (Fehlendes Commitment, Dysfunktion 3). Fehlendes Commitment bedingt dann als nächstes, dass jeder macht, was er möchte (Mangel an Verantwortlichkeit, Dysfunktion 4). Und aus dieser vierten Dysfunktion entspringt dann letztlich die geringe Ergebnisorientierung als fünfte Dysfunktion eines Teams.
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Patrick Lencioni schildert dysfunktionale Teams aus seiner Sicht und Erfahrung als Unternehmensberater für Teamarbeit. Was ist davon zu halten?
Kritik am Ansatz der 5 Dysfunktionen von Lencioni
Trotz aller Beliebtheit in der Praxis gibt es berechtigte Kritik an Lencionis fünf Dysfunktionen.
Fangen wir mit den positiven Aspekten an. Die fünf Dysfunktionen sind sicher ein Problem für jedes Team, in dem sie bestehen und führen zu großen Schwierigkeiten. So hängen Vertrauen im Team und Teamleistung tatsächlich eng miteinander zusammen (De Jong, Dirks und Gillespie, 2016). Dazu kommt: Viele Menschen lieben es auch, wenn die Welt einfach bleibt, man ihnen sagt: „Es gibt da fünf schlechte Dinge in Teams. Die musst du abstellen. Dann ist alles gut!“ Komfortabel ist auch, dass man gleich weiß, wo man anfangen soll: Am mangelnden Vertrauen, der Wurzel aller Teamprobleme. Zudem passt das Modell auch gut zu den bekannten Teamentwicklungsphasen – Forming, Storming, Norming, Performing. Dysfunktion eins, der Vertrauensmangel, ist ein wichtiges Ziel in der ersten Phase der Teamentwicklung, dem Forming. Die Angst vor Konflikt (zweite Dysfunktion in Teams) bremst und verhindert die Stormingphase. Diese ist aber notwendig, damit Teams sich in die Leistungsphase entwickeln können. Und die letzten drei Dysfunktionen (Fehlendes Commitment, Mangel an Verantwortlichkeit und geringe Ergebnisorientierung) sind Herausforderungen in der Phase Norming.
Was also sind die wesentlichen Einwände und Nachteile? Ein grundlegender Einwand ist die Tatsache, dass Lencioni nur seine eigenen Erfahrungen in der Unternehmensberatung und Arbeit mit Teams als Quelle seiner Erkenntnisse nutzt. Bezüge zu empirischen Studien, Experimenten und wissenschaftlicher Forschung bestehen nicht, zumindest nicht in Form von Quellenangaben oder Zitaten und Verweisen. Sein Ansatz ist nicht getestet und überprüft, er ist sozusagen empiriefrei. Wenn jemand die Tips von Lencioni anwendet, dann steht alles mehr oder weniger nur auf einer sehr wackeligen Basis, nach dem Motto: „Weil es sich vernünftig anhört!“ Aus diesem zweifelhaften Arbeitsansatz ergeben sich auch konkrete Einwände und gravierende Defizite am Modell von Lencioni.
Das ist die konkrete Kritik an dem Modell der fünf Dysfunktionen eines Teams:
- Erstens sind die letzten drei Dysfunktionen sehr stark überlappend. Fehlendes Commitment, ein Mangel an Verantwortlichkeit und geringe Ergebnisorientierung gehen Hand in Hand. Wenn ich keine Ergebnisorientierung habe, dann habe ich kein Commitment. Wenn ich kein Commitment habe, dann bin ich nicht verantwortlich als Teammitglied.
- Zweitens ist der Blick auf Konflikt in Teams rein positiv. Bestimmte Probleme wie dysfunktionaler Konflikt oder starre Rollen spricht Lencioni nicht an. Im Gegenteil ist der Blick auf Konflikt sehr positiv „Wenn es zu wenig davon gibt, ist das schlecht!“. Das mag für Sachkonflikte gelten, wenn diese funktional ausgetragen werden und sich auf wichtige Themen konzentrieren. Es gilt aber sicher nicht für zwischenmenschliche Beziehungskonflikte. Und auch latente Konflikte, die im Untergrund schwelen, sind für Teams und Teamleitung nicht günstig.
- Drittens fehlt der Blick auf Alarmzeichen und Signale, die andeuten, dass ein Team dysfunktional wird, bevor das Problem wirklich offen an der Oberfläche auftritt. Lencioni liefert kaum Ansätze zur Prävention, bevor eine Dysfunktion da ist.
- Viertens genügt es nicht Probleme an der Oberfläche zu beschreiben. Es fehlt der Blick auf die zu Grunde liegenden psychologischen Ursachen. Die Dysfunktion Angst vor Konflikt und offenem Ansprechen von Themen hat als psychologische Ursache beispielsweise das Gruppendenken. Hier gibt es viel Forschung, insbesondere auch dazu, wie man Gruppendenken beseitigt. Fehlendes Commitment zum Team hat als Grundlage einen Mangel an Gruppenkohäsion und Zusammenhalt. Auch hierzu gibt es viel Forschung. Und hinter dem Mangel an Verantwortlichkeit und Zuständigkeit liegt in der Regel als Ursache eine schlechte Rollenverteilung.
- Lencioni konzentriert sich zudem sehr auf das Team selbst als Quelle aller Probleme und vernachlässigt den Kontext – etwa eine teamorientierte Organisation. Doch wenn es in Teams nicht gut läuft, sind oft die Unternehmenskultur und Ansätze der Personalauswahl, Führung, Anreizsysteme und Aufgabengestaltung ursächlich.
- Das Stufenmodell von Lencioni unterstellt letztendlich, dass mangelndes Vertrauen die Wurzel aller Probleme im Team ist und zu allen anderen Dysfunktionen führt. Dieser Annahme steht entgegen, dass teilweise Teams mit wenig Zeit, um Vertrauen aufzubauen, bereits sehr hohe Leistungsstandards haben können und danach arbeiten – etwa im Militär oder bei Flugzeugbesatzungen. Umgekehrt gibt es Teams mit ausgeprägtem Vertrauen, die den Leistungszielen sehr feindlich gegenüber stehen. Ein Beispiel ist eine eingeschworene Schulklasse, die den Unterrichtsstoff und die Lernzeile ablehnt.
Es gibt in Teams also wesentlich mehr als diese fünf Dysfunktionen. Viele davon liegen einiges tiefer als Lencionis oberflächliche Symptombetrachtung. Es ist daher für erfolgreiche Zugsamenarbeit im Team dringend notwendig, den Blickwinkel zu erweitern. Erfolgreiche Teams richten den Fokus in die Tiefe auf grundlegende Ursachen. Sie bleiben vor allem nicht bei der Problembeschreibung stehen, sondern befassen sich mit der Verhinderung und Beseitigung von Dysfunktionen im Team. Und das sollte anhand von wissenschaftlichen Forschungsergebnisse geschehen, um den Bereich der Spekulation und „Weil es sich doch vernünftig anhört, was der Patrick schreibt!“ hinter sich zu lassen.
Weiter geht es mit einer Literaturempfehlungen zu Dysfunktionen im Team.
Dysfunktionale Teams: Buch
Patrick Lencioni hat ein Buch zu den Dysfunktionen in Teams verfasst.
Tipp
Die 5 Dysfunktionen eines Teams
- Lencioni, Patrick M. (Autor)
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Fünf Dysfunktionen also und vier wichtige Kritikpunkte und Einwände. Das nächste Kapitel blickt daher umso tiefer und wissenschaftlich fundiert in die wirklichen Ursachen, wenn ein Team nicht funktioniert. Es befasst sich mit den Fragen, wie man Probleme in Teams erkennt, bevor sie voll ausbrechen, wie man Dysfunktionen vorsorglich verhindern kann und wie man sie beseitigt, wenn sie trotz aller Vorkehrungen auftreten.